Mindset von Sebastian Hotz: Der Titel ist in riesigen goldenen Buchstaben um 90 Grad gedreht auf einen dunkelgrau strukturierten Hintergrund gedruckt.

Kurzmeinung: Überraschend unterhaltsame Satire auf die männliche Selbstoptimierungskultur.


An Sebastian Hotz a.k.a. El Hotzo kommt im deutschsprachigen Internet kaum jemand vorbei. Mit seinen satirischen, pointierten Tweets begeistert er seit Jahren tausende von Menschen, auch mich. Dass jemand, der am laufenden Band witzige Posts in maximal 280 Zeichen raushaut, nicht unbedingt in der Lage ist, einen guten Roman zu schreiben, das war mir von Anfang an klar. Meine Erwartungen an Mindset waren daher auch niedrig. Umso überraschter war ich, als ich das Buch gelesen habe: Es ist nicht wie befürchtet eine Aneinanderreihung von Pointen, sondern ein kohärent erzählter Roman, den ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe und der mich gut unterhalten hat.

Es geht um Maximilian Krach, einen erfolgreichen Geschäftsmann, der laut den Fotos von Porsches, teuren Uhren und Privatjets in seiner Instagram-Story im Leben alles erreicht hat. Sein Geheimnis? Mindset, Disziplin, Ego. In seiner Vortragsreihe Genesis Ego möchte er seine Selbstoptimierungs-Weisheiten an andere Männer weitergeben, die genauso erfolgreich sein wollen wie er. Einer von ihnen: Der 26-jährige Mirko, ein IT-Servicemitarbeiter, der in seinem ereignislosen Leben feststeckt. Genesis Ego erscheint ihm als die ultimative Lösung, seinem Versager-Dasein zu entkommen und wirklich jemand zu werden …

Auf herrlich amüsante Weise nimmt dieses Buch die männliche Selbstoptimierungs-Kultur auf die Schippe und enttarnt schonungslos, dass hinter all dem Geprotze nicht viel mehr als Verunsicherung und heiße Luft stecken. Richtig witzig wird es zum Ende der Geschichte, als die Männer sich gegenseitig ähnliche Lügen erzählen und dabei immer von der Angst verfolgt sind, vom jeweils anderen enttarnt zu werden.

Die einzigen Stimmen der Vernunft sind die einzigen zwei Frauenfiguren in diesem Buch. Da haben wir Angela, eine typische allseits beliebte Ü50-Kollegin, die Mirkos Selbstoptimierungsclub für nichts weiter als komischen Internet-Quatsch hält. Und Yasmin, Rezeptionistin in einem Hotel, in dem Maximilian ein Seminar hält. Als Teil der internet-affinen Gen Z weiß sie diesen Männlichkeits-Kult viel besser einzuordnen, und als working class woman of color kann sie den Lesenden überzeugend darlegen, dass Einstellungen wie ‚Du kannst alles erreichen, wenn du nur hart genug an dir arbeitest‘ in Anbetracht der vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen neoliberaler Unsinn sind. Die entsprechenden Stellen sind ein bisschen unangenehm zu lesen, denn sie geben Yasmin etwas Token-haftes: Sie scheint in diesen Momenten nur dazu da zu sein, um in ihrer Rolle als Vertreterin einer marginalisierten Gruppe den Lesenden eine Weisheit mit auf den Weg zu geben. Zum Glück bleibt es aber nicht dabei und sie wird im Laufe der Geschichte auch selbst aktiv und bringt sich in die Handlung ein.

Fairerweise muss ich sagen, dass auch die männlichen Figuren karikaturhaft überzeichnet sind – Mirko ist ein Versager, Maximilian hat alles erreicht; ihr Leben besteht irgendwann aus nichts anderem als ihrem Streben nach Selbstoptimierung. Bei ihnen ist es aber genau das, was das Buch so unterhaltsam macht und wodurch auch das langsame Bröckeln der schillernden Fassade so effektiv ist.

Einige Stellen, gerade die Alltagsbeschreibungen der Hauptfiguren, empfand ich als sehr in die Länge gezogen. Nicht so sehr, dass es langweilig wird, dazu ist der Schreibstil zu subtil humorvoll, aber doch schon auffällig. Wohlwollend könnte ich jetzt sagen, dass das dazu beitragen soll, die Figuren besser kennenzulernen. Weniger wohlwollend könnte ich sagen, das Buch sollte dadurch auf eine angemessene Romanlänge gestreckt werden.

Auch mit dem Ende bin ich nicht so ganz zufrieden: In den letzten zehn Seiten legt eine der Figuren eine 180-Grad-Wende hin. Überraschend schnell winden sie und ihre Gefolgsleute sich aus jahrelanger Indoktrination und Selbstbetrug heraus. Das erscheint mir wenig realistisch, aber vielleicht soll es auch nur eine Wunschvorstellung abbilden: Am Ende sehen alle ein, was sie falsch gemacht haben. And then everybody clapped. Vielleicht die einzige Möglichkeit, im Angesicht der sehr realen Selbstoptimierungskultur nicht zu verzweifeln.

4/5 Schafen im Wolfspelz

Ein Gedanke zu „Sebastian Hotz: Mindset“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert