Kurzmeinung: Starke und schonungslose Erzählung über Misogynie, Rassismus, chronische Krankheit und den Ausbruch aus der Partnerschaftsgewalt.
Die namenlose Ich-Erzählerin der Geschichte steckt zu Beginn in einer Beziehung fest, die von Gewalt, Abhängigkeit und Misstrauen geprägt ist. Schon die ersten Sätze des Buches sind schwer zu ertragen: Dort wird mit klaren, harten Worten beschrieben, wie ihr Mann Sex mit ihr hat – was sie mittlerweile nur noch über sich ergehen lässt.
In den folgenden Kapiteln geht die Erzählerin der Frage nach, wie sie eigentlich in dieser Art von Leben enden konnte. Schlaglichtartig zeichnet sie kurze Situationen und Momente nach, die ihr bisheriges Leben geprägt haben, angefangen von Ereignissen vor ihrer Geburt: Von der Gewalt gegenüber Ehefrauen, die im kroatischen Teil ihrer Familie über Generationen als völlig normal angesehen wurde, bis zu ihrem senegalesischen Vater, der bereits vor ihrer Geburt gestorben ist. Als Schwarzes Mädchen wächst sie so in einer weißen Familie auf und bekommt immer wieder von allen Seiten suggeriert, dass sie nicht dazugehört. Sie wird verächtlich gemacht, belächelt, geschlagen und für dumm erklärt. Selbst im Sport, der einzigen Sache, an der sie Spaß hat und in der sie gut ist, muss sie sich rassistische Kommentare darüber anhören, dass sie aufgrund ihrer Genetik einfach einen unfairen Vorteil habe. Ihr Traum von der Sportlerinnen-Karriere platzt völlig, als bei ihr als Teenagerin eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wird. So wird ihr Selbstwertgefühl immer stärker niedergetrampelt, bis sie sich in den Fängen des Mannes wiederfindet, der ihr das kleinste bisschen positive Aufmerksamkeit schenkt – und sie damit emotional an sich bindet. Später wird diese gewaltvolle Bindung auf finanzieller Ebene und durch die beiden gemeinsamen Kinder noch enger. Diese Kinder, ihr Ein und Alles, sind es schließlich, die ihr nach Jahren den Mut und die Kraft geben, den Kreislauf der Gewalt und Abhängigkeit zu durchbrechen und die Beziehung zu beenden.
Das Buch wird auf dem Klappentext als „wie ein Schlag ins Gesicht“ bezeichnet, und so habe ich es auch empfunden. Die Sprache ist klar, knapp und schonungslos; die Autorin schreckt vor expliziten Gewaltbeschreibungen (auch gegen Kinder) und vulgären Ausdrücken nicht zurück. Damit entlädt sich das Szenario mit all seiner Heftigkeit und zeigt, welche Auswirkungen Misogynie, Rassismus und Klassismus haben. Dieser Effekt verstärkt sich auch durch die sehr kurzen Kapitel, die nicht in chronologischer Reihenfolge stattfinden und sich wie Puzzleteile von verschiedenen Enden einem Gesamtbild nähern.
Trotz der Aussichtslosigkeit und Erschöpfung, die die Protagonistin im Angesicht der immerwährenden Gewalt empfindet, erzählt das Buch jedoch auch von einem Mut und einer Stärke, die Hoffnung machen. Und davon, dass Überleben und ein Ausbruch aus der Gewalt möglich sind.
Ich weiß nicht, ob das Buch wirklich ein Roman ist, wie auf dem Buchdeckel bezeichnet. Es wirkt autobiografisch (ist es vermutlich teilweise auch, wie dem Vorwort zu entnehmen ist) und folgt keiner stringenten Handlung, sondern beleuchtet einzelne Szenen im Leben der Hauptfigur, von denen teils offen bleibt, wie sie weitergegangen sind. In einem völlig fiktiven Roman wären einige Dinge vermutlich nicht nur im Vorbeigehen angeprochen worden. Beispielsweise wird erst sehr spät im Buch erwähnt, dass die Protagonistin als Kind sehr krank war und oft operiert worden musste. Oder der Bruch mit ihrer kroatischen Familie in Kapitel 51 – obwohl ihre Familie eine große Rolle in der Geschichte spielt, ist dieser bedeutsame Bruch an der Stelle scheinbar nur eine Randnotiz wert.
Am Ende sind es aber gerade die Nähe zur Realität und die Gewissheit, dass diese Geschichte eben nicht „nur“ eine Geschichte ist, die dem Buch seine Schlagkraft verleihen.
5/5 Schwarzen Herzen