Zweistimmig von Claudia Kolla und Werner Graf. Auf dem Cover ist die Silhouette einer Frau von hinten abgebildet, die in einen vernebelten Wald hineingeht. In einer großen Pfütze ist ihr verzerrtes Spiegelbild zu sehen. Unten das Logo des ohneohren-Verlag.

Kurzmeinung: Spannend und unheimlich, wenn auch mit einigen inhaltlichen und stilistischen Schwächen.


Nach dem Tod ihrer Oma wird Alena von einigen merkwürdigen Erscheinungen in ihrem Umfeld verfolgt, die sie als Nebenwirkungen ihrer Antidepressiva abtut. Als sie jedoch die Tagebücher ihrer lange verstorbenen Mutter findet und tiefer gräbt, stößt sie auf ein düsteres Geheimnis …

Mit diesem Buch stecke ich in einem Zwiespalt: Einerseits habe ich es wirklich genossen, andererseits habe ich auch mehr als genug Kritikpunkte. Aber der Reihe nach.

Zu allererst: Der düstere, atmosphärische Einstieg hat mich sofort mitgerissen und das Gefühl des Unheimlichen zieht sich durch die gesamte Geschichte. Ich habe gespannt mitgefiebert, während Alena einem Hinweis nach dem anderen nachgegangen ist, um das Geheimnis zu lüften. Eigentlich ist das auch schon alles, was ich von einem Buch erwarte, mit dem ich mich an einem grauen Herbsttag mit einer Tasse Tee aufs Sofa kuschele.

Leider wirkt der Stil an einigen Stellen unerwartet hölzern, vor allem in den Dialogen. Die Sprünge zwischen den Szenen sind außerdem oft sehr schnell gesetzt, was zwar im Angesicht der psychischen Verfassung der Protagonistin durchaus als Stilmittel durchgehen kann, aber meistens nur irritiert.

Außerdem reißen mich hin und wieder inhaltliche Brüche aus dem Lesefluss. Beispielsweise heißt es auf Seite 58: „Die beiden Freundinnen […] sprachen noch einmal über die Party. Vor allem über Matthias.“ Von besagter Party handelte das vorherige Kapitel. Dass Matthias auch dort war, wurde mit keiner Silbe erwähnt. Später im Buch nimmt außerdem ein Pfarrer Bezug auf etwas, was sein Mesner in einem Gespräch mit der Protagonistin gesagt hat – dabei kann er dieses Gespräch unmöglich mitbekommen haben, weil er zu dieser Zeit woanders gewesen ist.

Hier kommt der Spoiler-Teil:

Dass das düstere Geheimnis darin besteht, dass Alena – wie zuvor ihre Mutter und ihre Oma – von einem Dämon besessen ist, fand ich etwas ernüchternd. Seit dem ersten Hinweis darauf, nämlich der Tatsache, dass Alenas Oma Bücher über Teufelsaustreibung gekauft hatte, habe ich daran geglaubt, dass es da noch irgendeinen Twist gibt. Aber nein, das ist wirklich das Ergebnis. Und auch wenn ich einige Szenen sehr eindrucksvoll und gruselig fand, war mir das dann doch ein bisschen viel Klischee. Vor allem, als die Native Americans ins Spiel kamen. Als der Pfarrer, mit dem Alena sich zusammentut, den Dämon besiegen will, erinnert er sich nämlich daran, wie er vor Jahren bei einer Amerikareise einem schamanischen Ritual beigewohnt hat. Dass indigene Menschen hier nur für den Grusel-Faktor herhalten sollen, zeigt sich insbesondere dadurch, dass sie nur im Ritual gezeigt werden und dass ihre spezifische Sprache lediglich als „indianische Sprache“ bezeichnet wird. Eine kurze Google-Suche ergibt, dass es heutzutage in den USA knapp 200 indigene Sprachen gibt. Da erscheint es wenig glaubhaft, dass der gute Freund und Reisebegleiter des Pfarrers sie angeblich jahrelang studiert hat, wenn er sie nicht einmal benennen kann.

Während der Pfarrer das Ritual dann an Alena durchführt, findet diese sich gedanklich in einer mysteriösen Landschaft wieder. Das hat mich erst ein wenig aus der Geschichte gerissen, denn ich hatte nur noch wenige Seiten vor mir und ich mag es eigentlich nicht, wenn ich mich so kurz vor Schluss noch einmal in eine völlig neue Umgebung eindenken muss. Die physische Manifestation des ausgetriebenen Dämons als alter Mann mit verstümmelten Händen fand ich jedoch sehr gelungen – so hat Alena Mitleid mit ihm und lässt ihn in das Haus in ihrer Gedankenwelt. Zu spät merkt sie, dass sie den Dämon damit erneut in ihre Körper hineingelassen hat.

Die friedliche Epilog-Szene hat mir ebenfalls gut gefallen. Sie zeigt eine glückliche Alena, allerdings wissen wir durch die Geschehnisse zuvor sehr gut, dass das Ritual nicht erfolgreich war und die Dämonen – jetzt sind es mehrere – in ihr nur darauf lauern, sie erneut zu quälen.

Was mich am Ende noch umtreibt ist die Frage, wie dieser Dämon eigentlich funktioniert. Sicher, er flüstert Alena und früher auch ihrer Mutter Dinge ein, ändert manchmal ihr Verhalten und ihr Aussehen, das ist zu erwarten. Aber beispielsweise wacht Alena einmal in einem Kirchenkeller neben der mumifizerten Leiche eines Mesners auf, mit dem sie kurz zuvor noch gesprochen hat. Die Szene war toll zu lesen und unheimlich gruselig, aber auch irgendwie sehr spezifisch dafür, dass sie nur eine beliebige Halluzination gewesen sein soll. Anders kann sie nicht erklärt werden, denn Alena erfährt später, dass es so einen Keller in dieser Kirche gar nicht gibt. Auch gelingt es dem Dämon einmal, in die Kirche einzudringen, obwohl der fachkundige Pfarrer das für unmöglich hält. Warum gerade dieser Dämon es trotzdem schafft, wird nicht erklärt.

Wer innovativen und gut durchdachten Horror sucht, ist mit diesem Buch wahrscheinlich nicht gut bedient, aber wer sich einfach nur ein bisschen gruseln möchte, ohne allzu viel darüber nachzudenken, kommt hier bestimmt auf seine Kosten.

Am Ende kann ich sagen, dass ich die Geschichte trotz ihrer Schwächen genossen habe und sie mich wunderbar auf den Herbst eingestimmt hat. Für ein Buch, das ich in erster Linie wegen des hübschen Covers gekauft habe, ist das nicht schlecht.

4/5 Düsteren Dämonen

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