Die Buch Berlin ist für mich ein fester Termin und jedes Jahr ein kleines Highlight. Ich liebe Indie-Bücher (also Bücher aus Kleinverlagen und dem Selfpublishing), und wo kann man sie besser entdecken als hier? Noch dazu hat die Messe die perfekte Größe für mich: Nicht so überlaufen und reizüberflutend wie Frankfurt oder Leipzig, aber doch mit so vielen Ständen, dass man dort locker ein Wochenende verbringen kann. Über die Messe schlendern, Lesungen lauschen, auch mal mit Autor*innen reden – das finde ich immer sehr bereichernd.
Was dieses Jahr sehr angenehm war: Autor*innen und Standbetreuer*innen haben nicht mehr so aggressiv versucht, mir ihre Bücher zu verkaufen. Meine zurechtgelegten Ausflüchte wie „Ich komme später noch mal wieder“ oder „Gibt es das auch als E-Book?“ musste ich kaum benutzen. Im Gegenteil schienen Menschen sogar überrascht zu sein, wenn ich ein Buch tatsächlich kaufen wollte. Dieses Jahr schien es vielen eher darum zu gehen, etwas über ihre Bücher zu erzählen. Eine Autorin las mir sogar vor und wünschte mir danach noch viel Spaß auf der Messe – ohne eine Nachfrage, ob ich das Buch kaufen wolle.
Dieses Jahr fehlten einige meiner liebsten Verlage und Autor*innen-Kollektive. Das ist schade, aber auch verständlich, da es sich für viele einfach nicht mehr lohnt. Dafür gab es viel Neues zu sehen, was ja auch schön ist. Leider hat sich der Fokus insgesamt sehr stark auf Romance und Fantasy verlagert – und ich sage „leider“ hier für mich ganz persönlich, weil das einfach zwei Genres sind, mit denen ich nicht so viel anfangen kann (wie aber auf dem Bild zu sehen ist, tapse ich doch manchmal behutsam rein). Zwischendrin gibt es auch mal einen Krimi oder einen vereinzelten Gedichtband, aber die wilden Genre-Mixe und experimentellen Sachen, die früher noch zu entdecken waren, gibt es mittlerweile nicht mehr.
Noch dazu wird die enorme Professionalisierung im Selfpublishing-Sektor auf der Buch Berlin immer gut sichtbar: Hier ist wohl kein einziges Buchcover mehr mit Paint erstellt worden, sondern von professionellen Grafikdesigner*innen; es gibt jede Menge Goodies passend zu den Büchern, und Bargeld hätte ich auch nicht einpacken müssen, weil mittlerweile alle ein Kartenlesegerät dabei haben. Dazu sage ich: Good for you! Ich freue mich immer, zu sehen, was im Selfpublishing mittlerweile möglich ist, und dass Selfpublisher*innen sich keinesfalls mehr vor Verlagsbüchern verstecken müssen. Denn Selfpublishing ist schon lange kein bloßer Plan B mehr, wenn es bei den Verlagen nicht geklappt hat, sondern ein Weg, die Vision vom eigenen Buch genau nach den eigenen Vorstellungen umzusetzen, ohne dass jemand dazwischen redet. Oder eben auch Themen zu behandeln, die von großen Verlagen (vermutlich) als zu schlecht vermarktbar angesehen werden.
Selbstvermarktung spielt natürlich auch im Selfpublishing eine große Rolle, deshalb verstehe ich es, wenn mit gängigen Mustern, Tropes etc. geworben wird. Dennoch finde ich es schade, dass dadurch ein wenig die Individualität verloren geht. Oder anders gesagt: Ich gehe auf eine Indie-Buchmesse, aber überall sehe ich Bücher, die so wirken, als könnten sie auch im Thalia um die Ecke liegen. Ich vermisse ein bisschen die Bücher mit selbstgebastelten Covern, die Graphic Design Is My Passion schreien, mit abgedrehten Ideen abseits aller ausgetretenen Pfade und Geschichten, die sich jeder Zielgruppenbestimmung entziehen. (Aber natürlich verkaufen sich solche Bücher nicht gut genug, als dass sich die mehreren hundert Euro Standgebühren lohnen würden. Kapitalismus, hach ja.)
Neben den an den Mainstream grenzenden Autor*innen und Verlagen – denen ich jeden Erfolg absolut gönne! – gab es wie jedes Jahr auch wieder die Kategorie „Fragwürdiges“. Darunter zähle ich einige Business-/Selbstoptimierungs-Ratgeber, KI-Bücher (nicht nur solche mit eindeutig KI-generierten Covern, sondern auch zweifelhafte Sachbücher über KI) und weiße Autor*innen, die über ihre Selbstfindungs-Backpacking-Trips in ‚exotische‘ Länder berichten oder Romane über das K-Pop-Business schreiben. (Ich selbst habe keinen Bezug zu K-Pop, aber es ist schon auffällig, dass fast alle deutschsprachigen K-Pop-Bücher, die mir so unterkommen, von weißen Autor*innen geschrieben sind. Dazu kann ich diese Podcast-Folge empfehlen, in der Victoria Linnea und Thea Hong über das Thema Asian Fishing sprechen.)
Nach all den kritischen Worten habe ich aber doch einige Bücher in meinen Nischen gefunden und probiere mal wieder ein wenig (queere und dark) Romance aus. Besonders gefreut habe ich mich über zwei kleine Büchlein über Aromantik und Asexualität, die ich zufällig beim WReaders-Verlag entdeckt habe: Herzschweigen von Jace Moran und Gespenst von F. L. Palao. Ein schöner kleiner Moment des Gesehen-Werdens.
Und jetzt entschuldigt mich, ich muss lesen gehen.