Das Buch "Kim Jiyoung, geboren 1982" von Cho Nam-Joo: Das Cover ist rot, im Vordergrund ist das schematische Gesicht einer Frau mit kinnlangen schwarzen Haaren abgebildet. Statt Augen, Nase und Mund steht in ihrem Gesicht der Titel des Buches. Hinter ihr sind in gelben Umrissen Hochhäuser zu sehen. Unten das Verlagslogo von Kiepenheuer & Witsch, daneben ein runder Aufkleber mit der Aufschrift: Der Weltbestseller aus Korea.

Kurzmeinung: Ein starkes Buch über eine tief in der Gesellschaft verankerte Frauenfeindlichkeit, die sich in jeden Lebensbereich der Protagonistin gräbt.


Zunächst ist der Stil dieses Buches gewöhnungsbedürftig: Es erzählt die Lebensgeschichte der fiktiven Südkoreanerin Jiyoung, allerdings so sachlich, dass es sich beinahe wie ein Biografie oder ein Bericht liest. In nüchternem Stil reiht sich Ereignis an Ereignis, dazwischen werden statistische Fakten vom Verhältnis zwischen Männern und Frauen in verschiedenen Lebensbereichen eingeschoben. Was mich zunächst irritiert hat und mir langweilig erzählt vorkam, erweist sich aber als die eigentliche Stärke des Buches, denn: Eigentlich geht es gar nicht um Jiyoung. Es geht nicht konkret um sie als individuelle Figur, vielmehr steht sie exemplarisch für das, was viele Frauen (und Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als solche wahrgenommen werden) erleben müssen: Diskriminierung, Abwertung, Objektifizierung, sexuelle Belästigung. Das alles wird hier schnörkellos offengelegt.

Schon von Kind auf lernt Jiyoung – damals noch, ohne sich der Implikationen bewusst zu sein – dass sie als Mädchen anscheinend weniger wert ist als ihre männlichen Altersgenossen. Von der Bevorzugung ihres Bruders gegenüber ihr und ihrer Schwester über lächerlich strenge Kleiderordnungen für Mädchen in der Mittelschule bis zur ständigen Bevorzugung schlechter qualifizierter männlicher Bewerber im Berufsleben – der Sexismus zieht sich durch Jiyoungs gesamtes Leben und ist in jeder Facette ihres Alltags gegenwärtig. Zwar trifft sie immer wieder auf Mädchen und Frauen, die Ungerechtigkeiten in Worte fassen und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dagegen einsetzen, aber am großen patriarchalen System können sie nichts ändern.

Am Ende der Geschichte steht ein Mann, der Jiyoung scheinbar endlich mal versteht und die ständigen Steine anerkennt, die Frauen in den Weg gelegt werden – nur, um in einer bitteren Wendung klar zu zeigen, dass er ein Teil des Problems ist. Ein genialer Abschluss, der sehr deutlich zeigt, was (genauer gesagt: wer) sich eigentlich ändern müsste.

Ein starkes und wütend machendes Buch über die unterdrückte Rolle der Frau in Südkorea, die sich aber auch weltweit wiederfinden lässt und uns vor Augen hält, dass in puncto Gleichberechtigung der Geschlechter immer noch viel zu tun ist.

5/5

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