"Things Have Gotten Worse Since We Last Spoke And Other Misfortunes" von Erica LaRocca auf einem PocketBook E-Reader. dekoriert mit Tannenzapfen und einem Herbstblatt. Titel und Autor*in stehen untereinander in großen Buchstaben auf der linken Seite. Rechts ist die Zeichnung einer Frau abgebildet, deren Gesicht von den Augen aufwärts verwischt ist. Unten rechts steht der Kommentar "Unflinching" von Paul Tremblay.

Kurzmeinung: Eine beeindruckende, abgründige und auf beste Weise ekelhafte Novelle (+ zwei weitere Geschichten, die auch ganz okay sind).


Über dieses Buch wusste ich vor dem Lesen nur, dass es queerer Horror (eventuell Body Horror) ist, deshalb konnte ich mich einigermaßen ahnungslos überraschen lassen, was genau da auf mich zukommt. Dadurch war mir aber auch nicht klar, dass das Buch nicht nur aus einer, sondern aus drei Geschichten besteht. Aber der Reihe nach.

Die titelgebende Geschichte, Things Have Gotten Worse Since We Last Spoke, beginnt ganz harmlos: Agnes möchte über ein Forum einen wertvollen Apfelschäler verkaufen, der sich seit Generationen im Besitz ihrer Familie befindet. Aus dem unverfänglichen Austausch mit der Kaufinteressentin Zoe wird bald etwas Tieferes, das nach und nach mehr eskaliert …

Zuallererst mag ich es total, wie diese Geschichte erzählt wird, nämlich allein durch E-Mails und Chat-Nachrichten zwischen Agnes und Zoe (plus kurze einordnende Kommentare des fiktiven Herausgebers dieser Materialien). So bekomme ich beim Lesen einen unmittelbaren Blick auf die Abwärtsspirale, in der die Beiden sich bewegen. Und die hat es in sich! Ohne zu viel verraten zu wollen: Es geht um Liebe, Obsession, Unterwerfung … und um rohes Fleisch, Maden und den Wunsch, Leben im eigenen Körper zu tragen. An einer bestimmten Stelle ist mir richtig schlecht geworden, aber ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Auch das Ende hat mich sehr beeindruckt. Eine wirklich tolle, mitreißende und abgründige Story!

Diese Geschichte ist für mich so stark, dass sie gut als eigenständige Novelle hätte stehen können – sie nimmt auch den Großteil des Buches ein. Die beiden Geschichten, die darauf folgen, konnten mich leider nicht annähernd so sehr begeistern und wirken daher fast wie Füllmaterial.

The Enchantment beginnt mit einem ebenso interessanten wie beklemmenden Szenario: dem religiösen Wahn eines Teenagers, dessen Eltern nicht damit umzugehen wissen. Danach habe ich jedoch das Gefühl, dass sich die Geschichte selbst aus den Augen verliert. Sie besteht zwar aus interessanten Einzelszenen, die für mich aber zu viel auf einmal wollen. Auch das Ende wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet, sodass ich schlussendlich gar nicht weiß, was mir diese Geschichte eigentlich erzählen wollte. Vielleicht braucht man einen stärkeren Bezug zur christlichen Religion, um sie zumindest auf einer spirituellen Ebene verstehen zu können.

You’ll Find It’s Like That All Over ist die kürzeste Geschichte in dieser Sammlung; sie ist nur wenige Seiten lang. Das Thema ist hier wieder sehr klar und auch ein wenig amüsant: Es geht darum, welchen absurden und teilweise (lebens-)gefährlichen Dingen Menschen zustimmen, nur, um höflich zu sein und den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten. Das fand ich ganz nett, auch wenn es stellenweise etwas hölzern erzählt ist.

Im Nachwort schreibt LaRocca, dass sich alle drei Geschichten in irgendeiner Weise mit dem Bedürfnis beschäftigen, eine Verbindung zu anderen Menschen aufzubauen und diese auch aufrecht zu erhalten – egal, wie hoch der Preis dafür ist. Das war für mich ein kleiner Aha-Moment, denn rückblickend gesehen ist das wirklich das verbindende Element dieser drei doch sehr unterschiedlichen Geschichten.

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